Lieber Roger Federer,

2003 war ich 14 Jahre alt und bereits sehr sportbegeistert. Du, Roger, gewannst in diesem Jahr dein erstes Grand Slam Turnier. Am 2. Februar 2004 wurdest du erstmalig die Weltnummer 1, ein historisches Ereignis für die Schweiz und für mein Teenager-Ich. Du bliebst die Nummer 1 bis im August 2008. In diesem Zeitraum beendete ich die Schule, begann eine KV-Lehre und schloss diese erfolgreich ab. Ich ging zum ersten Mal mit Freunden aus, ich trank erstmals Alkohol, Mädchen wurden plötzlich interessant, mein Körper produzierte Pickel und Haare an komischen Stellen. Es geschah viel in meinem Leben. Nummer 1 im ATP Ranking blieb aber Roger Federer. Eine konstante, auf welche ich mich verlassen konnte. Während meine Stimme mal hoch und mal tief sprach, spieltest du immer auf allerhöchstem Niveau.

Du gewannst in der gleichen Zeit 13 Grand Slam Titel, 4 Tour Finals und olympisches Gold an der Seite von Stan Wawrinka. Bis heute bin ich höchstens für zehn Ereignisse mitten in der Nacht aufgestanden, sicher acht davon für deine Spiele. Du warst für mich ein Wegbegleiter, ohne dass du es wusstest. Du hast mich 20 Jahre begleitet. Ich habe vor Freude geschrien bei wichtigen Punkten (Tweener im Halbfinal der US Open 2009), ich habe gejubelt bei grossen Siegen (Davis Cup 2014, French Open 2009), ich habe geflucht bei unforced errors und war traurig nach epischen Niederlagen (Wimbledon 2008). So viele Emotionen hast du mir entlockt, das haben selbst Leute aus meinem engsten Umfeld nicht geschafft. Selbst heute lösen gewisse Schlagwörter in mir Emotionen aus. Ich sehe, wie du deine Hände an am Boden liegenden Wawrinka wärmst, wie du auf dem heiligen Wimbledon Rasen zu Boden sinkst oder wie du lachend mit dem Schweizer Team hinter dem riesigen Davis Cup Pokal stehst.

Ich könnte stundenlang vor YouTube sitzen und Videos von deinen Spielen anschauen. Diese Eleganz, du schwebst förmlich über den Tennisplatz. Andere Spieler schauen auf den harten Beton am Boden, während du Wolken siehst. Dieser Sport muss in deinen Augen anders aussehen als in den Augen deiner Gegner. Deshalb schauen die Menschen auch dich mit anderen Augen an. Wird mir die Frage nach meinem Vorbild gestellt antworte ich seit meinem ersten Vorstellungsgespräch mit Roger Federer, steht ja schliesslich so in meinem Lebenslauf. Wenn ein Mensch so viel erreicht wie du, so erfolgreich ist, so viel Geld verdient, so angehimmelt wird – dann verliert man schnell die Wahrnehmung und hebt ab. Du aber bliebst stets am Boden, bliebst einer von uns, hast uns mit Charme und Witz während deinen Interviews und Pressekonferenzen geduldig die Tenniswelt erklärt. Du hast nie zu viel über deine Verletzungen gesprochen, hast deine Gegner stets gewürdigt und bliebst von Skandalen fern.

Man muss dich einfach lieben. Und das tue ich. Und das werde ich auch weiterhin tun. Auch wenn ich nicht mehr mit dir am Fernsehen mitfiebern kann. Das habe ich ein letztes Mal gemacht, und dann haben wir gemeinsam geweint. Du und Nadal auf dem Tennisplatz in London, ich allein zu Hause auf dem Sofa. Es war ein schöner Abschied vom Profi-Federer, aber du bleibst bei mir. In meinem Herzen und auf meinem Lebenslauf. Danke für die grossartige Zeit mit dir und danke hast du all die Jahre so gut auf mich geachtet.

Lieber Gruss

Patrik

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